Wenn ein Drohnenriese den Fahrradmarkt herausfordert
Was passiert, wenn ein Kamera- und Drohnengigant beschließt, den europäischen E-Bike-Markt aufzumischen? Genau das zeigt DJI mit seinem Einstieg in den eMTB-Bereich. Das chinesische Unternehmen sorgt mit seinem Avinox-Motor für Aufsehen – 1.000 Watt Dauerleistung, 120 Nm Drehmoment und 800 % Unterstützung. Zahlen, die in Europa juristisch wie technisch wie ein Paukenschlag wirken. Während Branchenverbände wie der ZIV über eine Begrenzung der Spitzenleistung auf 750 Watt diskutieren, setzt DJI gezielt ein Zeichen. Doch Bosch – bislang Marktführer im deutschsprachigen Raum – antwortet nun mit einem Power-Update für seine Performance Line CX Gen5, das genau jene Grenze austestet – und technologisch deutlich aufholt.
Das neue Bosch-Update: Zahlen, die zählen
Ab Juli 2025 wird die Bosch Performance Line CX (Gen5) – BDU384Y – per kostenlosem OTA-Update (Over-the-Air) deutlich stärker. Das neue Softwarepaket erhöht die Spitzenleistung von 600 auf 750 Watt, das Drehmoment steigt von 85 auf 100 Newtonmeter. Gleichzeitig wird der Unterstützungsfaktor auf maximal 400 % angehoben. Und das Beste: Die Nutzer*innen können diese Werte per App individuell konfigurieren.

Die neue Leistungsarchitektur ist ein offenes Statement: Bosch signalisiert damit Innovationskraft ohne Gesetzesbruch. Die Anpassung erfolgt innerhalb der aktuellen EPAC-Richtlinien (250 W Nennleistung, begrenzte Spitzenlast) – und überlässt die finale Feineinstellung dem Hersteller und den Nutzer*innen. Damit bleibt Bosch regulatorisch auf sicherem Terrain, während DJI mit seiner Avinox-Freischaltung bereits außerhalb der legalen Nutzung auf öffentlichen Straßen agiert.

Technik mit Köpfchen: eMTB+-Modus als Schlüssel zur Kontrolle
Neben dem bloßen Leistungsplus führt Bosch einen neuen Fahrmodus ein, der technisches Feingefühl beweist: Der eMTB+-Modus verbindet die sensible Unterstützung des klassischen eMTB-Modus mit der Durchzugskraft des Race-Modus. Das bedeutet: progressiver Schub, intelligente Kraftdosierung und adaptive Unterstützung – perfekt für technische Uphill-Trails oder wechselnde Untergründe.

Besonders interessant ist das Verhalten im niedrigen Drehzahlbereich. Bereits bei 100 W Eigenleistung stehen fast 400 W zur Verfügung – im klassischen eMTB-Modus wären dafür fast doppelt so viel Pedalkraft nötig. Das Resultat: Mehr Traktion, bessere Kontrolle und spürbar weniger Kraftaufwand in heiklen Passagen. Die Sensorik erkennt Gripverluste, wechselt dynamisch zwischen sanfter und direkter Kraftentfaltung – und bleibt dabei intuitiv steuerbar. Das Ergebnis ist ein Fahrverhalten, das nicht nur kraftvoll, sondern auch präzise abgestimmt ist.
DJI Avinox: Leistung ohne Kompromiss – oder ohne Rücksicht?
DJI treibt die E-MTB-Performance auf ein neues Level – mit einem Firmware-Update, das nicht nur für Begeisterung sorgt, sondern die gesamte E-Bike-Branche aufrüttelt. Mit dem Schritt auf Version 1.1.0 (und inzwischen 1.2.0) wird beim Avinox-Antrieb der Turbo-Modus dauerhaft auf 1.000 Watt freigeschaltet.

Zuvor war diese Leistung nur temporär für 30 Sekunden im Boost-Modus verfügbar. Die nun permanent abrufbare Maximalleistung stellt einen +17,6 % Leistungszuwachs dar – und das bei einem ohnehin schon enormen Drehmoment von bis zu 120 Nm sowie einer Unterstützung von 800 % der Eigenleistung. Technisch ein Meisterwerk – regulatorisch allerdings ein Pulverfass.

Parallel zum Leistungsboost bietet das Update eine Vielzahl neuer Features und Konfigurationsmöglichkeiten, die das Avinox-System zu einem der anpassungsfähigsten E-Bike-Motoren auf dem Markt machen. So lassen sich nun:
- Dauer des Boost-Modus flexibel anpassen
- Assistenzmodi frei anordnen, aktivieren oder ausblenden
- Bis zu acht Datenfelder auf dem Display gleichzeitig darstellen – inklusive Stoppuhr sowie visualisierten Leistungsdaten in Form von Balken- und Liniendiagrammen
- Ladegrenzen und Ladegeschwindigkeit konfigurieren (z. B. für schonendes Laden)
- Fahrdaten löschen und Unfallbewegungen aus der Historie anzeigen
- Strava-Synchronisation samt automatischer Sicherung der Fahrdaten aktivieren
Auch die Cloud-Funktion wurde überarbeitet und erfordert eine neue Autorisierung, um Konnektivitätsdienste wie das Ride-Backup via SIM zu nutzen. Das neue Account-Management ermöglicht zudem eine transparente Einsicht in das angemeldete Nutzerprofil – ein Schritt in Richtung Benutzerfreundlichkeit und Datenschutz.

Doch bei all dem technischen Fortschritt bleibt ein zentraler Punkt kontrovers: DJI bewegt sich außerhalb des europäischen Konsenses. Während der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) eine gesetzliche Deckelung der E-Bike-Motorleistung auf 750 Watt fordert, kontert DJI mit einer Leistung, die nicht nur deutlich darüber liegt, sondern auch als dauerhaft verfügbar gekennzeichnet ist. Damit wandelt DJI auf einem schmalen Grat zwischen technologischem Pioniergeist und rechtlicher Grauzone. Laut derzeitiger Klassifikation fällt ein Bike mit 1.000-Watt-Dauerleistung in Deutschland in die Kategorie zulassungspflichtiges Kleinkraftrad – mit entsprechenden Konsequenzen für Nutzung, Versicherung und Straßenverkehr.
Einige Brancheninsider sprechen bereits von einem „digitalen Dammbruch“. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen und weitere Hersteller dem Beispiel folgen, droht der gesamten E-Bike-Branche ein regulatorisches Rebound-Szenario. Statt Innovation könnten dann neue Restriktionen den Ton angeben – etwa Kennzeichenpflicht, Helmpflicht, Versicherungspflicht oder gar Führerscheinauflagen für besonders starke Bikes.

DJI selbst gibt sich diplomatisch: Man beobachte die Entwicklung und werde „alle gesetzlichen Anforderungen einhalten“. Doch angesichts der Faktenlage wirkt dies eher wie eine Absicherung im Nachhinein als eine vorausschauende Marktstrategie. Die aktuelle Lage zeigt deutlich: Technik und Politik befinden sich im E-Bike-Sektor auf Kollisionskurs.
Smart, nicht brachial: Bosch setzt auf Systemintegration statt Showdown
Während DJI mit purer Power auftrumpft, wählt Bosch einen ausgereiften, regulatorisch tragfähigen Ansatz – und positioniert sich damit bewusst als Gegenpol. Im Zentrum steht das neue Kiox 400C-Display, das nahtlos im Oberrohr integriert ist. Es liefert in Echtzeit präzise Leistungsdaten wie Herzfrequenz, Höhenprofil, Trittfrequenz oder Wattwerte – klar ablesbar, selbst bei direkter Sonneneinstrahlung. Die Steuerung erfolgt entweder über eine Remote-Einheit am Lenker oder über vorgefertigte Fahrmodus-Layouts, die sich situationsbedingt anpassen lassen. Auch Walk Assist und Lichtsteuerung sind zentral eingebunden, ergänzt durch das neue Feature „Hill Start“, das Anfahren am Berg deutlich erleichtert.
Noch smarter wird’s beim Thema Schaltung: Bosch erweitert das eShift-System um „M+“, eine Funktion zur automatischen Gangwahl. Sobald sich das E-MTB im Rollzustand befindet, erkennt das System die optimale Übersetzung – und schaltet ohne Zutun des Fahrers. Ergebnis: harmonische Trittfrequenz, kein Ruckeln, kein Leerlauf – stattdessen ein Fahrgefühl, das wie aus einem Guss wirkt. Gerade in technisch anspruchsvollem Gelände oder bei wechselnden Bedingungen entfaltet diese Lösung ihr volles Potenzial.
Wollen wir maximalen Schub um jeden Preis – oder ein legal nutzbares, fein abgestimmtes E-MTB-Erlebnis mit Blick auf Technik, Markt und Regulierung?